Wer der Meinung ist, Streiks in Europa wären unangenehm, der darf sich gerne mal auf den Weg über den großen Teich nach Südamerika machen und miterleben, was die Bürger hier so veranstalten, wenn sie unzufrieden sind.
Insbesondere Bolivien und Peru gelten als sehr aufständisch, das durften wir bereits in Bolivien erleben. Reiseplanung nach vorherigem Studium der landesweiten Straßenblockaden, tanken nach Verfügbarkeit und dann hoffentlich passend zur Reiseplanung, Ein-/Ausreise nach offenen Grenzkontrollstellen usw.. In La Paz sind wir seinerzeit nicht einmal zum Campingplatz gekommen, weil die Straßenblockaden bereits am Sonntagabend statt wie angekündigt ab Montag errichtet wurden. Was dies für Länder mit wenig Infrastruktur bedeutet, liegt auf der Hand: Versorgungsengpässe und Mangel – gerade in den ländlichen Regionen, die per se nicht oft beliefert werden.
Dabei ist mit den Streikenden nicht zu spaßen und Rücksicht auf Touristen nehmen sie auch nicht! Will man sich an den Blockaden vorbei schleichen, wie wir es versucht haben, reagieren sie gereizt bis agressiv, schmeißen schon mal mit Steinen und blockieren Ausweichstrecken mit Dornenbüschen und Patrouillen. Da bleibt oft nur … warten … manchmal tagelang. Wohl dem, der in so einer Situation sein Zuhause unterm Hintern hat … so wie wir.
Just heute war es wieder so weit … und völlig unangekündigt. Auf dem Weg zur Nordküste Perus, wo wir uns ein paar Tage auf einem Campingplatz direkt am Strand unter Palmen auf die für kommenden Montag geplante Einreise nach Ecuador vorbereiten und etwas chillen wollten, war nach 2/3 der Strecke Schluß … Kilometerlanger Stau und Stillstand. Ein Busfahrer vor uns teilte uns nach einer knappen Stunde mit, das hier nichts mehr geht – bis morgen oder übermorgen … oder nächste Woche 🤔.
Nicht mit mir!
Rechts von der Straße runter, einen Feldweg ins Hinterland und im großen Bogen wieder südlich auf die Hauptstrasse in umgekehrter Richtung. Kurz die Optionen sondieren und ab ging‘s über die – auch noch idyllischere – Küstenstrasse. Nun gut, hat uns 3 Stunden gekostet aber immer noch besser, als ein ganzer Tag oder zwei … oder eine Woche …
Hintergrund? Streik der LKW-Fahrer wegen der ungeliebten Interimspräsidentin Dina Boluarte – seit Ende 2022 im Amt. Die Lage in Peru ist derzeit wieder angespannt, die Proteste nehmen erneut Fahrt auf. Ende 2022 wurde gegen die Amtsenthebung und Verhaftung des damaligen linken und indigenen Präsidenten Pedro Castillo protestiert. Wie reagiert die Zivilgesellschaft dieses Mal auf die Repression? Die Angst geht um, denn niemand weiß, ob die Ordnungskräfte nicht doch zur Schusswaffe greifen wie damals. Das dämpft die Bereitschaft, auf die Straße zu gehen – nicht nur in Lima, mehr noch auf lokaler Ebene. Immerhin wurden vier Menschen kürzlich zu Haftstrafen verurteilt, nur weil sie protestiert haben.
Die Lage dabei ist kompliziert. Peru hat eine Regierung, die für den Großteil der Bevölkerung und vor allem für die indigene Bevölkerung keine Legitimität hat. Das ist sicherlich ein Grund, weshalb es starke Repression seitens der Regierung gibt. Die hat zwar nicht das Niveau wie bei den Protesten vom Dezember 2022 und Januar 2023, als, je nach Quelle, zwischen 50 und 70 Menschen von Armee und Polizei erschossen wurden. Es wurden damals gezielt Schusswaffen eingesetzt. Das ist derzeit nicht der Fall, aber die Ordnungskräfte gingen bisher gegen jede Form von Protesten überaus martialisch vor.
Wir hatten hingegen heute nicht den Eindruck, als würden die Ordnungskräfte und die Polizei mit harter Hand gegen die Blockade vorgehen, ganz im Gegenteil. Es sah eher danach aus, als würden die Ordnungskräfte die Proteste dulden oder sogar mit den Protestanten sympathisieren …