Das in Brasilien nicht, wie in allen anderen Ländern Südamerikas, spanisch, sondern portugiesisch gesprochen wird, hat natürlich sehr viel mit der kolonialen Vergangenheit des Landes zu tun, welches maßgeblich durch die portugiesischen Eroberer geprägt wurde.
Nachdem wir bereits einen detaillierten Beitrag zu Mariana verfasst haben, nutzen wir hier die Besuche der – ob ihrer kolonialen Altstadt-Architektur – herausragend schönen Städte Tiradentes, Sāo Joāo del Rei, Congonhas und vor allem Ouro Preto, um uns ein wenig intensiver mit dem kolonialen Erbe Brasiliens zu befassen. Nicht umsonst sind die kolonialen Hinterlassenschaften der beiden letztgenannten Städte aufgrund ihres Wertes für die Menschheit in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen worden.




Im Mittelpunkt der Kolonialisierung durch die Portugiesen stand auch in Brasilien die Sklaverei. Schon bald nach der Kolonisation des Landes im Jahr 1531 erkannten die Siedler, daß Zuckerrohr hier bestens gedieh. 1532 wurde die Pflanze erstmals nach Brasilien eingeführt und hat das Land seitdem nie wieder verlassen. Zucker war in Europa zu jener Zeit heiß begehrt, so daß der Anbau in Brasilien boomte. Ab 1550 wurden viele Afrikaner auf die brasilianischen Sklavenmärkte gebracht und dort vor allem zur harten Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen verschachert.




Afrikanische Sklaven galten als bessere Arbeiter und als weniger anfällig gegenüber europäischen Seuchen, die so vielen Ureinwohnern des südamerikanischen Kontinents das Leben kosteten. Sie erreichten Brasilien unter menschenunwürdigen Bedingungen, wurden aus ihren Familien gerissen und während der monatelangen Überfahrt in schäbigen Schiffen zusammengepfercht. Hatte man die Tortur der Überfahrt überstanden, fing der Leidensweg der afrikanischen Sklaven erst richtig an. Brutalität, Erniedrigung, sexueller Missbrauch, Unterernährung und Erkrankungen, wie Diarrhö, Typhus, Gelbfieber, Malaria, Tuberkulose, Skorbut und/oder Syphillis spiegelten das tägliche Leben der Sklaven wider und raffte ein Vielzahl von ihnen innerhalb kürzester Zeit dahin.



Als 1888 auch in Brasilien die Sklaverei abgeschafft wurde, lebten bereits 3,6 Mio. Afrikaner im Land. Am 13. Mai 1888, nach fast 80 Jahren voller Ausflüchte und Streitereien mit den Engländern, die für eine Abschaffung eintraten, unterzeichnete Princesa Isabel schließlich das Dokument, das bis heute untrennbar mit ihrem Namen verbunden ist – die Lei Aurea. Zwar beseitigte Isabel damit zweifellos eine verabscheuungswürdige Praxis, doch das Gesetz ließ viele Fragen offen, insbesondere die zentrale Frage, was die 800.000 befreiten brasilianischen Sklaven, größtenteils Analphabeten, ungelernt und ohne Arbeit, nun tun sollten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.





So standen plötzlich tausende ehemalige Sklaven auf der Straße. Viele starben, während andere in die Stadtzentren strömten und dort Teil der (ersten) Favelas wurden, Elendsviertel, die rasend schnell insbesondere um Rio de Janeiro herum entstanden. Ihre Bewohner sind bis heute ehemalige Sklaven und bettelarme hungerleidende Menschen aus dem Landesinneren, die auf der Suche nach einem besseren Leben in die Stadt kamen.




So ist die prächtige koloniale Architektur, die in vielen Städten im Umkreis von Rio de Janeiro bis heute zu bestaunen ist, letztendlich eine Hinterlassenschaft des auf Ausbeutung beruhenden Reichtums, den der auf dem Rücken der Sklaven ausgetragene lukrative Zuckerrohranbau und Zuckerhandel mit Europa sowie der Goldrausch des 17. Jahrhunderts den brasilianischen Plantagenbesitzern und den Minenbetreibern gebracht hat. Durch die Christianisierung der Bevölkerung des Landes entstanden zudem unzählige prächtige Sakralbauten.