Gestern war es soweit, am Nachmittag des 18. März stand unsere Einschiffung auf der Ocean Albatros an, die absolut entspannt vonstatten ging. Es ist in Relation zu den großen Kreuzfahrtschiffen von AIDA, Costa oder MSC halt ein deutlicher Unterschied, mit einem Expeditionsschiff der Eisklasse I in die Antarktis zu fahren … übrigens auch preislich.


Auf jeden Fall ist so eine Reise viel persönlicher und individueller, stehen doch den 127 Reisenden auf unserer Tour alleine 97 (!) Besatzungsmitglieder aus 24 Ländern gegenüber. Die 20 Expeditionsmitarbeiter davon haben sich heute – nach dem Kapitän und seinen Offizieren versteht sich – alle persönlich vorgestellt. Vom Zodiac-Fahrer, Kajak-Führer, Biologen, Gletscher- und Eisbergwissenschaftler, Antarktis-Spezialisten bis hin zu Ornithologen, Veterinären und Wal-Spezialisten ist quasi jede Fachrichtung vertreten, die Dich auf dieser außergewöhnlichen Reise mit jedweder Art der Information versorgen kann. Zu dem Tagesablauf auf dem Schiff und den Exkursionen gehen wir in einem separaten Beitrag detaillierter ein.




So legten wir gestern also pünktlich um 18 Uhr nach dem obligatorischen Security-Briefing von Ushuaia in den Beagle-Kanal Richtung Osten ab. Der Beagle-Kanal mündet in den Atlantik, von dort wurde Kurs Richtung Süden angelegt – Ziel: die südlichste Spitze Südamerikas – das berüchtigte Kap Hoorn – und von dort in die noch berüchtigtere Drake-Passage, die bereits vielen Schiffen aufgrund ihres oft extrem rauen und stürmischen Seegangs, sowie den Wetter- und Strömungsbedingungen zum Verhängnis geworden ist … früher sicher mehr als heutzutage …

Entdeckt und benannt wurde Kap Hoorn wohl von dem niederländischen Seefahrer Willem Cornelisz Schouten, Kapitän des Schiffes Eendracht, das der Handelsgesellschaft Austraalse Compagnie aus dem niederländischen Ort Hoorn gehörte. Kapitän Schouten soll die gefährliche Klippe am 29. Januar 1616 erblickt haben und benannte sie zu Ehren des Heimatortes seiner Arbeitgeber. Erzählungen, das Kap mitsamt des dort gelegenen Seewegs zwischen Atlantik und Pazifik seien bereits 1578 von Sir Francis Drake entdeckt worden, scheinen eine politisch motivierte englische Erfindung zu sein. So weit nach Süden war der berühmte Drake wahrscheinlich nie gekommen, aber hier sind die Details umstritten.

Dies alles hielt Drakes noch berühmteren Landsmann James Cook 1769 nicht davon ab, dem Meer zwischen Südamerika und der damals noch unbekannten Antarktis den Namen des Freibeuters Drake zu geben, und so versetzt Francis Drake noch heute Seefahrer und Antarktis-Touristen in Angst und Schrecken. Die Querung der Drake-Passage, 440 Seemeilen (ca. 815 Kilometer) breit, zwischen Kap Hoorn und den Südshetland Inseln, ist tatsächlich oft ein nicht ganz ungetrübtes Vergnügen, denn immer wieder kreisen mächtige Tiefdruckgebiete von West nach Ost um die Antarktis und kommen früher oder später unweigerlich durch die Drake-Passage. Es ist also ein kleines Lotteriespiel, aber tatsächlich ist die Drake-Passage oft deutlich weniger schlimm, als ihr Ruf befürchten lässt. Zwischen den Tiefdruckgebieten herrscht tagelang nur wenig Wind oder zeitweise sogar Flaute, so dass die berüchtigten Wellenberge flacher werden. Die Drake-Passage kann so friedlich sein, dass man auf ihr Tretboot fahren könnte!

Solche paradiesischen Zustände sind sicher nicht Alltag aber wir hatten Glück, als wir heute Morgen nach der ersten Nacht an Bord aufwachten. Der Kellner im Frühstücksrestaurant meinte dazu nur: „I‘ve never had such a calm sea while travelling to or from antarctica!“. Natalie wird das sicher nicht trösten, die Seekrankheit hatte sie wieder fest im Griff … glücklicherweise nicht so stark, wie 2019 auf dem Weg nach Island, da ging‘s ihr bei 10m-Wellen richtig dreckig.
Übrigens: eine Legende ist die Behauptung, in der Drake-Passage wäre der Seegang immer hoch, weil die Wellen des Südozeans sich dort durch das Nadelöhr zwischen Südamerika und Antarktis zwängten – alles Quatsch! Nach 2 Tagen ohne Wind gibt es auch in der Drake-Passage keine Wellen mehr, dann ist selbst die Dünung zurückgegangen wie auf jedem anderen Weltmeer auch. Der schlechte Ruf der Drake-Passage hängt damit zusammen, dass es dort historisch viel Schiffsverkehr gab: Die Route um das Kap herum war eine der großen Schifffahrtsrouten der Welt, bevor der Panama-Kanal gebaut wurde. Und gegen den vorherrschenden Wind, vom Atlantik in den Pazifik, und auf einem Rahsegler – das waren bis ins frühe 20. Jahrhundert die Frachter – ist das Kap Hoorn natürlich starker Tobak. Aber mit einer Wettervorhersage, mit genügend Zeit, um auch danach planen zu können und mit einem Motor ist das Kap gut machbar. Auch wenn man sich so natürlich nicht die Anerkennung der echten Kap Horniers verdient – aber das wird den allermeisten Landratten wie uns im Zweifel egal sein 😜.



Und Kap Hoorn? Das Kap bekommt man auf den meisten Antarktis-Reisen gar nicht zu sehen: Die direkte Route zwischen dem Beagle-Kanal und der Antarktischen Halbinsel beziehungsweise den Südshetland Inseln lässt das Kap gut 40 Seemeilen westlich der Route liegen. Zudem wird das Gebiet auf der Fahrt nach Süden nachts passiert. Nur wenn auf dem Rückweg brauchbares Wetter und ausreichend Zeit zur Verfügung stehen, wird der Schlenker gemacht, um das berühmte Kap wenigstens zu sehen. Da wir jedoch über Süd-Georgien nach Montevideo fahren, gibt es für uns keinen Rückweg an Kap Hoorn vorbei …
✌🥰