Chinchorro

Wie im vergangenen Beitrag bereits angeteasert, stand in dieser Woche auch ein besonderer Museums-Besuch auf dem Plan. Vor den Toren Aricas, der letzten chilenischen Großstadt vor der peruanischen Grenze, liegt idyllisch im fruchtbaren Azapa-Tal das „Museo Arqueológico San Miguel de Azapa“, ein weiteres UNESCO-Weltkulturerbe Chiles. Weshalb? Wegen seiner dort aufgebahrten ältesten bekannten Mumien der Welt, den Chinchorro-Mumien. Sie haben 2.000 Jahre mehr auf dem Buckel als ihre ägyptischen „Kollegen“ und wurden von kleinen Gruppen von Fischern und Jägern einbalsamiert, die ab etwa 7.000 v. Chr. an der Küste im südlichen Peru und im nördlichen Chile lebten.

Die Chinchorro-Mumien sind allgegenwärtiges Ausstellungsobjekt – hier als Denkmal

Das Museum befindet sich in einem wunderbar grünen Tropengarten mit hohen Palmen und hat zwei Ausstellungsbereiche. In der ursprünglichen Ausstellungshalle wird eine riesige Sammlung von Exponaten aus der Zeit ab 7.000 v. Chr. Bis zur spanischen Eroberung gezeigt, darunter Dioramen, Körbe und Masken, Tonwaren, Panflöten und eine riesige Olivenpresse aus dem 18. Jahrhundert.

Das Museum liegt in einem üppig grünen Tropengarten

Eine neue Ausstellungshalle in einem modernen Betongebäude birgt schließlich eine Dauerausstellung, die sich den Chinchorro-Mumien widmet. In Schaukästen erblickt man hier Werkzeuge, Kleidung und Zierschmuck sowie insbesondere Mumien von Kindern, Schädel und lebensgroße mumifizierte Chinchorro-Menschen – irgendwie unheimlich!

Richtig gruselig wird es dann, wenn man sich mit dem Mumifizierungsprozess beschäftigt, der hier eindrucksvoll beschrieben wird.

Für eine derart einfache Kultur, wie die Chinchorro-Kultur, waren die angewendeten Techniken erstaunlich ausgeklügelt. Im Verlauf der Jahrtausende entwickelten sich die Methoden weiter, anfangs entstanden die Mumien jedoch mehr oder weniger anhand der folgenden 10 Schritte (arg empfindliche Gemüter sollten hier besser nicht weiter lesen 😉):

  • Kopf, Gliedmaßen und Haut des Leichnams abtrennen
  • Das Gehirn entfernen, indem man den Schädel spaltet oder es an der Basis aus dem Kopf zieht
  • Weitere innere Organe entfernen
  • Den Körper mit heißen Steinen oder Feuer trocknen
  • Den Leichnam mit Stöcken, Schilf, Lehm oder Alpakafell füllen
  • Alle Körperteile wieder zusammenfügen
  • Den Leichnam mit einer dicken Aschepaste einschmieren
  • Die Haut wieder überstreifen (Ausbesserungen mit Seelöwenhaut)
  • Den Kopf mit einer Perücke aus menschlichem Haar und einer Lehmmaske versehen
  • Die fertige Mumie mit Mangan schwarz färben, später mit rotem Ocker
GRUSELIG!

Inzwischen sind hunderte Chinchorro-Mumien jeden Alters entdeckt worden und es gibt keinen Hinweis darauf, daß nur eine bestimmte Gruppe von Personen mumifiziert wurde. Schräg ist zudem, daß ein paar Mumien mehrfach neu bemalt wurden, was darauf schließen läßt, daß die Chinchorro sie „aufbewahrten“ und vor der Beisetzung möglicherweise lange Zeit „ausstellten“.

Jahrtausende später schockierten die Inka die spanischen Eroberer mit einem ähnlichen Brauch, das Capacocha-Ritual, das wir bei unserem Besuch im Museo de Arqueologia de Alta Montaña in Salta bereits beschrieben hatten.