Brücken aus Gras

Von Puno aus ging es für uns am Freitag zunächst Richtung spektakulärer Anden-Natur … zu den Rainbow Mountains von Pallay Punchu. In den Anden, vor allem in Argentinien und Peru gibt es zahlreiche Plätze in Bergszenerien, die aufgrund der Farbgebung ihrer Sedimentschichten fantastische Panoramen bieten und deshalb Regenbogenberge (Rainbow Mountains) genannt werden. Wir haben Pallay Punchu einen Besuch abgestattet, weil die Regenbogen-Panoramen der Berge einfach fantastisch sind und diese Gegend vor allem noch nicht so touristisch vermarktet wird, wie andere bekannte Orte, wie z.B. Vinicunca.

So schlugen wir am Freitagabend unser Nachtquartier mit grandioser Aussicht am Hochgebirgspass des Pallay Punchu auf und wussten garnicht, wo wir zuerst hinschauen sollten, hinunter ins Tal zur Laguna Langui oder hinauf zu den Hängen des Pallay Punchu …

Obwohl es 5 Meter neben unserem Stellplatz am Pass steil hinunter ging, schliefen wir wie Babys an diesem wirklich magischen Ort. Zumindest ich … Natalie hatte hier auf 4.500 Meter Höhe eher weniger Schlaf 😉.

Am Folgetag führte unser Weg Richtung Cusco uns zu einem weiteren Höhepunkt der Inka-Kultur, dem der Titel dieses Beitrags gewidmet ist. Q‘iswachaca heisst die Inka-Brücke in der indigenen Quechua-Sprache. Etwa 150 Meter unterhalb der Straße hängt diese ganz aus Grasfasern hergestellte Hängebrücke und überspannt auf 28 Metern die Schlucht, die der Rio Apurímac über Jahrtausende in den Fels geschnitten hat.

Um Flüsse zu überwinden, setzten die Baumeister der Inka die unterschiedlichsten Brückentechniken ein. Die höchste Stufe der inkaischen Brückenarchitektur sind Hängebrücken, wie die Q‘iswachaca, die noch heute reißende Flüsse überspannen. Dabei werden mindestens 3 tragende Hauptseile aus Agavenfasern über die Schlucht gespannt, die mit steinernen Brückenköpfen im Boden verankert werden. Auf die drei unteren Hauptseile werden Querhölzer gelegt und mit geflochtenen Pflanzenfaserschnüren aus Ichu-Gras verbunden. Die Zwischenräume werden mit Ästen, Zweigen und Tierhäuten soweit abgedeckt, daß sogar Lamas über die Brücken laufen können.

Da diese natürlichen Brücken ungeschützt der Witterung ausgesetzt sind, müssen sie jährlich erneuert werden. Im Rahmen eines kulturellen Festes treffen sich dazu alljährlich im Juni die rund 700 Bewohner der umliegenden Gemeinden und packen gemeinsam in etwa 3 Wochen an, um die Q‘iswachaca-Brücke zu erneuern. Seit über 600 Jahren findet dieses jährliche Ritual ohne Unterbrechung statt. Wie ihre Vorfahren vor ihnen, wird die Hängebrücke mit den überlieferten Techniken erneuert. Frauen fertigen dabei die geflochtenen Faserschnüre, dürfen der Brücke während des Baus jedoch nicht zu nahe kommen und diese befestigen … Männersache!

Wer traut sich?

Es gäbe ein schlechtes Karma, so der überlieferte Glaube und welche Dame will schon die Verantwortung dafür tragen, wenn die Stabilität der Natur-Brücke einmal nicht gegeben ist und Menschen oder gar Lamas in die Tiefe stürzen 😜 …

Natürlich ließen wir es uns nicht nehmen, die Brücke ebenfalls zu überqueren – eine reichlich wacklige Angelegenheit, die für Menschen wie mich mit Höhenangst eine Herausforderung darstellen. Der Herausforderungen mußte ich mich jedoch stellen. Ich hatte auch keine andere Wahl, waren vor mir doch eine Gruppe Einheimischer mit Kindern und Frauen erfolgreich über die Brücke gestiefelt … was hätte das für einen Eindruck gemacht 😉 …