Wenn man, wie wir, über ein Jahr unterwegs ist, bleibt es üblicherweise nicht aus, daß man in der Zeit zumindest einmal Geburtstag feiert. In dieser Woche, exakt am vergangenen Freitag, den 6. September, war es bei mir soweit! Natalie hingegen hatte einerseits bereits kurz nach unserem Start am 19. Januar in Colonia del Sacramento in Uruguay das Geburtstags-Vergnügen und kommt andererseits am nächsten 19. Januar noch einmal in den Genuß, Geburtstag auf Reisen feiern zu dürfen. Gutes Timing, würde ich sagen 😉 …
Retrospektiv betrachtet kann ich nur festhalten, daß der Tag dem Prädikat „perfekt“ sehr nahe kommt. Ich habe einen wundervollen Tag mit meiner Frau in der wunderschönen Kolonialstadt Salta im andinen Nordwesten Argentiniens verbracht! Herrliches Wetter, gutes Essen in einer argentinischen Parrilla, Kultur und Entspannung in perfekter Symbiose – was will man mehr? Naja, Wasser wäre für mich als jemand, der das Meer liebt, schön gewesen – man kann halt nicht alles haben 😜.


Es ist immer wieder schön, zu sehen, daß man – auch wenn man 12.000 Kilometer weg ist – in den Gedanken der Menschen, die einem wichtig sind, nicht in Vergessenheit gerät. Die schiere Flut an Glückwünschen über alle Arten von Medien, beruflich wie privat, war beeindruckend und berührend. Dankeschön noch einmal an dieser Stelle!

Wir haben diesen besonderen Tag genutzt, um uns nach unserer Ankunft in der prächtigen Kolonialstadt Salta ein erstes Bild vom historischen Zentrum zu machen. Der sogenannte „Circuito Religioso“ führt einen dabei zu einer Reihe eindrucksvoller historischer Sakralbauten aus der Kolonialzeit – atemberaubend!





Der Hauptplatz einer jeden größeren Stadt ist oft Mittelpunkt des städtischen Lebens, Treffpunkt der Menschen, touristisches Zentrum, kulinarischer Hotspot sowie kultureller und historisch-architektonischer Ballungsraum … so auch hier am Plaza 9 de Julio mit der anliegenden Basilika, dem Cabildo Histórico (Geschichtsmuseum) und dem bewegenden Museo de Arqueología de Alta Montaña. Letzteres besuchten wir am heutigen Sonntag.


Das Museum führt seine Besucher einfühlsam und detailliert in ein für die heutige Zivilisation zunächst nicht nachvollziehbares Ritual der Inka-Kultur ein – das Capacocha-Ritual, bei dem Kinder den Göttern geopfert wurden. Die erst 1999 in den Anden gefundenen Mumien dreier Kinder, den sogenannten Kindern von Llullaillaco, sind hier zu sehen, abwechselnd immer nur eines von den dreien. Uns liefen Schauer über den Rücken, als wir die kleinen Hände, die schwarzen Haare und die Augenbrauen der exzellent erhaltenen Mumien vor uns sahen.


Für das Opferritual Capacocha wurden bei den Inkas die schönsten Mädchen und Jungen des Landes ausgewählt. Monatelang wurden sie auf den Tod vorbereitet. Sie fanden ihre vorletzte Ruhestätte am Gipfel des 6739 Meter hohen Vulkans Llullaillaco: ein etwa 15 Jahre altes Mädchen, ein siebenjähriger Junge und ein fünfjähriges Mädchen. Die drei Kinder wurden in reich ausgestatteten Gräbern in den Anden beerdigt. Und sie wurden hier wohl auch getötet. In der Kälte des Bodens und wegen der extrem trockenen Luft konservierten die kleinen Körper gut. 1999 wurden sie gefunden und von Wissenschaftlern als die wohl besterhaltenen natürlich konservierten Mumien der Welt gefeiert.



Im theokratisch geführten Inka-Staat war die Capacocha eines der bedeutendsten Rituale. Sie war nicht nur religiös motiviert, sie war vielmehr ein Staats-Ritus, mit dem auch die Geografie und die Politik des Imperiums definiert und die politische und wirtschaftliche Macht des Inka-Reiches gefestigt wurde. Die Capacocha-Opfer waren komplexe Zeremonien, die tief in der Kosmologie und dem religiösen Glauben der Inkas verwurzelt waren. Kinder, die für diese Rituale ausgewählt wurden, wurden oft aufgrund ihrer wahrgenommenen Reinheit ausgewählt und galten als Mittler zwischen dem menschlichen und dem göttlichen Bereich. Der Opferakt zielte darauf ab, günstige Bedingungen für das Reich zu sichern, darunter landwirtschaftlichen Wohlstand, Schutz vor Naturkatastrophen und das Wohlergehen der herrschenden Elite.
Heute werden die Mumien der Kinder in modernsten Cryo-Kammern unter immer gleichbleibenden Umgebungsbedingungen für die Nachwelt erhalten, gruselig und faszinierend zugleich. Obwohl ein solch vordergründig grausames Opferritual für zivilisierte Menschen unverständlich erscheint, steht uns eine Verurteilung dieses Handelns nicht zu. Die Capacocha-Mumien sind vielmehr stille Zeugen einer vergangenen Ära, einer Zeit, in der die Inka-Zivilisation durch komplizierte Rituale und Opferzeremonien die Verbindung mit dem Göttlichen suchte. Die Entdeckung dieser Mumien auf den hoch aufragenden Gipfeln der Anden verleiht der Inka-Geschichte nicht nur eine mysteriöse Ebene, sondern unterstreicht auch die tiefen spirituellen Überzeugungen, die das Leben der Andenvölker geprägt haben.
Ein Gedanke zu „Happy Birthday!“
Kommentare sind geschlossen.