Potosi

Nachdem wir nun in den vergangenen zwei Wochen eines der Highlights unserer Südamerika-Reise erleben durften, die Lagunenroute und den Salar de Uyuni, geht es für uns weiter gen Osten und vor allem weiter nach unten.

Ganz ehrlich – die Höhe hat vor allem Natalie ganz schön zu schaffen gemacht, weshalb sie sehr froh ist, daß es nun langsam vom Altiplano runter ins bolivianische Tiefland geht. Aber wie das so ist mit einem trockenen Hochplateau – es wird i.d.R. eingerahmt von Bergketten, die den Regen abhalten. Es galt demnach für uns, die östliche Kordillere, welche das Altiplano begrenzt, zu überwinden und demnach geht es vor dem Abstieg erst noch einmal final nach oben 😱.

Inmitten der östlichen Gebirgskette liegt auf gut 4.000 Metern Höhe eine der höchstgelegenen Großstädte der Erde überhaupt, die Kolonialstadt Potosi mit ihren rund 190.000 Einwohnern. Dorthin fuhren wir am Freitag von Uyuni durch eine imposante und wunderschöne Bergkulisse, die „Cordillera de los Frailes“.

Die Konquistadoren des spanischen Kolonialzeitalters haben El Dorado, die legendäre goldene Stadt, die sie in Südamerika vermuteten, nie gefunden, dafür aber Potosi und seinen Hausberg, den Cerro Rico – einen „reichen Hügel“ voll mit Silber – in die Hände bekommen! Die Stadt wurde 1545 gegründet, kurz nachdem Erz entdeckt wurde und schon bald finanzierte das hier kurz danach entdeckte und geförderte Silber das gesamte spanische Königreich. Wenn etwas sehr lukrativ ist, bezeichnet man es in Bolivien heute noch als „Vale un Potosi“ – wertvoll wie Potosi …

Während der Blütejahre Potosis schienen die Metallvorräte schier unerschöpflich und machten die Stadt zur größten und reichsten Stadt des amerikanischen Kontinents. Als das Silber aufgebraucht war, begann jedoch ihr Niedergang und die Bewohner verarmten. Erz, Zinn, Blei und andere Mineralien werden jedoch bis heute gefördert, wobei die Arbeitsbedingungen der Minenarbeiter katastrophal sind. Aufgrund des hohen Asbest- und Kieselerdestaubs in den Schächten, versterben die Minenarbeiter in aller Regel spätestens nach 10-15 Jahren, nachdem sie ihre Arbeit aufgenommen haben – im Durchschnitt mit 43 (!) Jahren …

Vor diesem Hintergrund mutet es fast makaber an, daß touristische „Minentouren unter Tage“ eine der Haupt-Attraktionen der Stadt sind – neben der Erkundung der reichen kolonialen Geschichte der Stadt, die in der Altstadt zu finden ist und durch die Aufnahme in die UNESCO-Welterbeliste 1987 entsprechende Würdigung erfuhr. Folglich befaßten wir uns während unseres Aufenthalts ausschließlich mit der Erkundung des kolonialen Potosis.

In dem prachtvoll konstruierten „Museo y Convento de Santa Teresa“ – einem ehemaligen und nun als Museum umfunktionierten Nonnenkloster des Mittelalters, ließ sich wunderbar das harte und entbehrungsreiche Leben der Nonnen in den früheren Jahrhunderten nachvollziehen. Die Nonnen stammten ausschließlich aus wohlhabenden Familien und waren ausschließlich die zweitgeborenen Töchter dieser Familien. „Wohl dem, der als erstgeborene Tochter auf die Welt kam“, ging es mir nicht nur einmal durch den Kopf bei dem unmittelbaren Erleben der harten Bedingungen und dem leidvollen Leben in einem mittelalterlichen Kloster, welches die Nonnen von ihrem 15. Lebensjahr an bis zu ihrem Lebensende (!) zu führen hatten …

Der prachtvolle Bau der „Casa de la Moneda“

Ein weiteres imposantes Gebäude mit interessanter Geschichte ist das „Casa de la Moneda“, eine der ersten Münzprägefabriken des kolonialen Mittelalters in Südamerika und weltweit überhaupt. Hier wurden aus dem Silber des Cerro Rico Silbermünzen für die spanische Krone geprägt und mit spanischen Galeonen des 16. Jahrhunderts nach Europa verschifft. Die Galeonen segelten die südamerikanische Westküste entlang gen Norden und sammelten Gold- und Silbermünzen sowie andere Edelmetalle und Edelsteine mit dem Ziel Panama auf. In Panama wurde über den (kurzen) Landweg die wertvolle Fracht von der Pazifik- an die Karibikküste transportiert und durch dort wartende Galeonen nach Spanien verschifft – sofern ihnen die Piraten nicht einen Strich durch die Rechnung machten. Die diesbezügliche Historie Panamas hatte ich bei meiner Reise 2019 dorthin erleben dürfen, weshalb sich nun hier in Bolivien, einer der Quellen des Reichtums, für mich dieser historische Bogen schließt.

So verbrachten wir also das Wochenende hier in Potosi mit viel Geschichte und bolivianischer Kultur und Kulinarik. Vor Montag konnten wir unsere Reise Richtung der nächsten Kolonialstadt Sucre sowieso nicht fortsetzen, da die bisherigen rund 17.000 gefahrenen Kilometer hier in Südamerika sowie insbesondere die Lagunenroute ihre Spuren an unseren (Antriebs-)Vorderreifen hinterlassen haben. Folglich musste ich am Samstagvormittag den lokalen Reifenhandel sondieren, um zwei passende neue Vorderreifen zu finden – Bingo! Samstagvormittag mit Händen, Füßen, Google Translate und gebrochenem Spanisch bestellt, Sonntag geliefert und Montagvormittag montiert, justiert und ausgewuchtet … das nenne ich mal Effizienz …

Auf nach Sucre ❗️