Eine Woche mit uns … auf der Lagunenroute

Am Donnerstagabend sind wir in Uyuni, der ersten größeren Stadt nach dem Grenzübertritt von Chile nach Bolivien am Sonntag, angekommen. Seit diesem liegen rund 400 Kilometer Extreme hinter uns, die sowohl Natalie und mir als auch Chop-Chop sehr viel Energie gekostet hat. Extreme Höhen, extreme Temperaturen, extreme Landschaften und auch extremes Befinden. Aber von vorne im Detail …

Nachdem wir am Sonntagnachmittag auf gerade einmal 22 Kilometern von 2.500 Höhenmetern auf 4.400 Höhenmetern gekraxelt sind, erreichten wir die chilenisch-bolivianische Grenzstation Hito Cajon. Die Straße stieg von San Pedro de Atacama kommend steil an. Auf der anderen Fahrspur kamen uns zahlreiche LKWs entgegen, die nur im kleinsten Gang und mit glühenden Bremsen den Abstieg meistern konnten … zahlreiche, teils ausgebrannte Wracks am Straßenrand waren Zeugnis davon, daß dieses Manöver in der Vergangenheit nicht jedem gelang.

Wie wir bereits bei der ersten Andenüberquerung beobachten konnten, nimmt Chop-Chops Leistungsfähigkeit ab etwa 3.500 Höhenmetern deutlich ab und zahlreiche Warnblinklichter gehen auf dem Armaturenbrett an. Insofern beunruhigte uns dieses Verhalten grundsätzlich nicht, jedoch hatten wir noch keine Erkenntnis, wie sich unser rollender Freund dauerhaft auf diesen Höhen mit zusätzlicher Belastung durch die herausfordernden Wellblechpisten schlägt … wir sollten es erfahren.

Chop-Chop mitten auf der Lagunenroute …

Nach erfolgreicher und zügiger Ausreise aus Chile und Einreise nach Bolivien, schlugen wir unser Nachtquartier hinter einem Refugium direkt an der Grenze auf, um windgeschützter übernachten zu können … der Wind blies hier oben am späten Nachmittag kalt und heftig! Erstmals packten wir unser komplettes Winterpaket aus, wir rechneten mit Nachttemparaturen um die -10 Grad. 

Am frühen Montagmorgen weckte uns gegen 3 Uhr ein Piepen … oh Schreck! Die Dieselheizung hatte es alleine nicht geschafft, die Temperatur am Sensor ausreichend hoch zu halten, so daß der Frostschutz ausgelöst und unseren Wassertank geleert hatte … toll! Naja, Improvisation ist eine Kunst, der Wassersparmodus für die nächsten Tage ausgerufen. Verblieben war uns wassertechnisch unser halb leerer 20L-Reservekanister sowie einige Flaschen „Agua sin Gas“ und Cola-Zero … was braucht man mehr 😜. Obwohl Wasser hier oben Mangelware ist, ließ mich die Verwalterin des Refugiums unseren Kanister auffüllen. Zwei zusätzliche Flaschen „Agua sin Gas“ gab sie uns obendrein …“nett die Leute hier“ dachten wir schon damals …

Mit 40 Liter Trinkwasser an Bord und um eine Erfahrung reicher ließen wir die Folgenächte nun BEIDE Heizungen laufen, Gas und Diesel. So ging es auf die erste Etappe der Lagunenroute. Gesundheitlich ging es uns so mäßig. Da wir uns nicht lange genug höhenakklimatisiert hatten, hatte Natalie starke, ich leichte Kopfschmerzen. Eine zunehmende Müdigkeit aufgrund des Schlafmangels – auch in den Folgenächten – kam hinzu. Das Fahren auf dieser Höhe und auf diesen Pisten erfordert Konzentration pur, nicht nur aufgrund der Bedingungen. Alleine ist man nämlich hier nicht. Regelmäßig donnern einem unangekündigt von hinten oder entgegenkommend die Jeeps der Tourenanbieter mit einer Höllengeschwindigkeit um die Ohren und ziehen eine Monster-Staubwolke hinter sich her, so daß man minutenlang nichts mehr sieht. Und wäre das alles nicht genug, verwandelt dieser Fahrstil die Pisten in gnadenlose Waschbrett-Pisten mit Geröll- und Schuttanhäufung in der Spurmitte, die größtenteils jenseits der Bodenfreiheit gängiger Fahrzeuge ist. Der Unterboden ist demnach permanent gefährdet. Das waren die Rahmenbedingungen, die dazu führten, daß wir beide bereits nachmittags und jeden Tag zunehmender geplättet waren.     

Im Endeffekt kann ein normaler Mensch diese Strecke unter den genannten Bedingungen nicht länger als 4-5 Tage unfallfrei und ohne Gesundheitsgefährdung fahren. 

Jetzt aber zu dem positiven Teil der Lagunenroute und zur Schilderung, warum diese Extremtour es trotz allem Wert ist, gefahren zu werden …

Endstation des ersten Tages war die Laguna und der Salar Chalviri, die dritte Lagune der Lagunenroute. Die ersten beiden Lagunen, die Laguna Blanca und die Laguna Verde bekommt man bereits kurz nach der Grenze zu Gesicht. Ich verzichte darauf, hier Superlative für die extrem schönen und einmaligen Landschaften zu bemühen, um zu versuchen, zu beschreiben, wie fesselnd die 300 Kilometer Lagunenroute hier oben ist. Schaut euch einfach die Fotos an, dann wißt ihr, was ich meine.   

… vom Mirador aus in ihrer ganzen Schönheit (links Laguna Verde, rechts Laguna Blanca)
… ist dagegen eher schlicht

An der Laguna Chalviri mit ihrem Salar de Chalviri gibt es mitten im Nichts ein Thermalbecken, in dem man sich bei 40 Grad Wassertemperatur von den Strapazen erholen kann … das haben wir ausgenutzt – mit Blick auf Laguna und Salar … 

,,, den Salar de Chalviri

Am Dienstag ging es weiter zum höchsten Punkt der Lagunenroute, dem „Sol de Mañana“ genannten Geysirgebiet auf 4.800 Höhenmetern und anschließend zum Höhepunkt der Lagunenroute, der pinkfarbenen Laguna Colorada mit ihrer zahlreichen Flamingo-Population.

Der Mittwoch führte uns in die faszinierende Steinwelt des „Valle de Rocas“ und hielt zum Abschluß einen spektakulären Blick auf den „Cañon de Anaconda“ für uns bereit.

Am Donnerstag besuchten wir letztlich das indigene Dörfchen San Cristóbal, wo wir Chop-Chop eine wohlverdiente Komplettwäsche zukommen ließen. Anschließend ging es auf teil-asphaltierter Strasse (!) die letzten 100 Kilometer Richtung Uyuni …

Nach diesem Höllenritt war es nur logisch und notwendig, daß wir uns in Uyuni erst einmal erholen und im neuen Land akklimatisieren wollten. Es fiel uns demnach leicht, uns von Donnerstag bis Montag 4 Nächte auf dem Hof eines Hotels einzuquatieren, auf dem wir alle Annehmlichkeiten vor Ort hatten und auf dem wir zudem nicht die einzigen Overlander waren. Naja, was für uns Annehmlichkeiten sind, ist für andere Reiseformen Basisausstattung … heiße Duschen, Toiletten, schnelles WLAN, bequeme Sitzecken, fließendes Trinkwasser, Müllentsorgung und – ganz wichtig – soziale Kontakte! Kurz gesagt: wir durften im Wohnmobil auf dem Hotelgelände campen und die Hotelausstattung mit nutzen – mega! 

Ana, die bolivianische Hotelchefin empfängt neben Hotelgästen nämlich auch Durchreisende mit eigenem Gefährt mit einer selbstverständlichen Offenheit, Freundlichkeit und Wärme, daß es einem die Sprache verschlägt. Versuche mal in Deutschland an einem der besseren Hotels der Stadt, in der Du gerade ankommst, anzufragen, ob Du vor ihrer Tür stehen und übernachten, Campingtisch und -stühle auspacken, kochen und die Hotelausstattung mit nutzen darfst … 

Aber das Beste kommt noch: Ana erwähnte abschließend, daß sie dafür keinen festen Preis nehme, sondern der Gast selber entscheiden dürfe, was er dafür zahlen möchte – der Hammer! 

Welcome to Uyuni!

In Uyuni selber gibt es recht wenig zu sehen. Die Stadt dient primär als logistisches Zentrum und Basislager für Touristen, die in den nahe gelegenen spektakulären Salar de Uyuni, den größten Salzsee der Welt, reisen oder sich eben auf die – genau – Lagunenroute Richtung Chile begeben wollen. Hatten wir auf den Tagen zuvor zwar formal Bolivien betreten, wurde uns hier in Uyuni erst so richtig klar, daß wir uns in einen komplett andersartigen Kulturkreis begeben hatten!

Uyuni selber hat den morbiden Charme einer staubigen, dreckigen und zerfallenen postapokalyptischen Kleinstadt. Es hätte uns nicht gewundert, hätte an der nächsten staubigen Ecke ein Kamerateam gestanden, um passende Szene zu „Mad Max 3“ abzudrehen 😂. Das jedoch sind Äußerlichkeiten und die interessieren uns, wie ihr wißt, so gut wie gar nicht …

Findet man nach einem ersten Streifzug durch die Stadt Zugang zu seinen Menschen, erkennt man sehr schnell, daß man sich nicht mehr in einem moderneren Land mit (süd-)europäischen Standards, wie Argentinien oder Chile, befindet, sondern im richtigen Lateinamerika angekommen ist! Dies betrifft im Prinzip alles. Doch trotz der vordergründigen Tristesse der Lebensumgebung sehen wir so viele freundliche, uns zugewandte, an uns interessierte und hilfsbereite Menschen, die zudem noch fest in ihrer Tradition verankert sind und diese in ihrer Kleidung und ihrem sozialen Verhalten für uns deutlich erkennbar mit Stolz präsentieren. Dabei haben diese Menschen im besseren Fall wenig. Die Armut ist am Warenangebot und dem Preisniveau deutlich erkennbar – das Preisgefüge hat sich im Vergleich zu Chile drastisch reduziert. Beispiel? Kostete ein Restaurantbesuch in Chile für zwei Personen inkl. Getränke und ohne Trinkgeld mindestens europäische 50-60 Euro, zahlt man hier für ein üppiges Mahl all-in keine 15 Euro – inkl. Trinkgeld!  

Wir haben dieses Land und seine Menschen bereits nach dieser kurzen Zeit in unser Herz geschlossen und freuen uns auf die vielen Erlebnisse, Erfahrungen und Begegnungen in den kommenden 4-5 Wochen, in denen wir von West nach Ost durch Boliviens Süden Richtung brasilianische Grenze reisen. 

Kommt gerne mit auf diesen neuen, spannenden Reiseabschnitt …

Ein Gedanke zu „Eine Woche mit uns … auf der Lagunenroute“

  1. Hab im TV eine Doku über Bolivien gesehen, geht total überein mit deinem Bericht. Dann habt ihr das Extreme ja gut überstanden, gut das euch Chop Chop 🚐nicht in Stich gelassen hat, gute Weiterfahrt🤳✌🚐

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