Ruta bimodal, so nennen die Chilenen ihre Ruta 7, die Carretera Austral, da Teile der Strecke in Ermangelung einer Strasse immer wieder mal mit der Fähre zurückgelegt werden müssen. Wir empfinden es als Abwechslung vom Fahralltag. Waren es auf den meisten „normalen“ Strassen 300 – 400 Kilometer, die man gut am Tag zurücklegen konnte, so sind es auf der Carretera Austral gerade mal höchstens 200 – 250 Kilometer. Große Teile der Route sind nicht asphaltiert und aufgrund der regenträchtigen Westwinde ist das Wetter auf der Fahrt entsprechend feucht – die Fahrbahn ebenso. Zahllose Kurven über Berg und durch Tal lassen zudem keine durchgängige Tempomat-Fahrt zu, ständig muß man abbremsen, beschleunigen, Schalten, hoch, runter … hatte ich erwähnt, daß mein nächstes Wohnmobil Automatik-Getriebe haben wird?
All das nimmt man gerne in Kauf für diesen spektakulären Roadtrip durch Chiles großen Süden!









Offiziell erstreckt sich die Carretera Austral über 1.240 Kilometer von Puerto Montt im Norden bis nach Villa O’Higgins im Süden. Da wir die Strecke von Süden nach Norden fahren und mit der Fähre in Puerto Yungay ankamen, haben wir es uns erspart, die 100 Kilometer wieder Richtung Süden nach Villa O‘Higgins zu fahren. Also ab gen Norden … äh, bzw. erst nach Westen … Caleta Tortel war unsere erste Station.

Ein Netzwerk knarrender Holzstege säumt das milchige Wasser der von Gletschern gespeisten Meerenge, in der das malerische Dorf Caleta Tortel tief im chilenischen Süden liegt. Strassen gibt es keine, bis auf eine … die Zufahrtsstrasse, die an einem Kreisel am Ortseingang endet. Die Lage an der Mündung des Rio Baker, des größten Flusslaufs Chiles, und eingebettet zwischen zwei Eisfeldern macht das chilenische Venedig so idyllisch. Das zum Nationaldenkmal erklärte Fischerdorf schmiegt sich in Schleifen rund um einen Steilhang und war für uns ein wahrhaft einzigartiger Ort, den wir am Wochenende ausgiebig zu Fuß auf dem weitläufigen Holzstege-Netz und auf Wanderungen durch die Wildnis erkundeten.





Ein wenig zur Geschichte Caleta Tortels: Ursprünglich ließen sich hier Angehörige der indigenen Gruppe der Kawesqar nieder, ein Seenomadenstamm, der mit Kanus umherzog. Sie wurden hier sesshaft und ihnen folgten erst 1955 erste Siedler in diese abgelegene und unwirtliche Gegend.


Von Caleta Tortel ging es am vergangenen Sonntag dann richtig los auf der Carretera: Richtung Norden nach Cochrane – Tankstop. Dann weiter Richtung Puerto Rio Tranquilo am Lago General Carrera. Bis dahin kamen wir jedoch nicht mehr. Da bereits die Dämmerung einbrach, blieben wir kurzerhand an einem wunderschönen Platz direkt nach der Brücke über den Lago am Ufer des größten Sees Chiles stehen. Am nächsten Morgen wurden wir für diese Entscheidung mit einem spektakulären Sonnenaufgang über dem Lago belohnt … es sollte nicht die einzige spektakuläre Erfahrung dieses besonderen Montags bleiben.



Ziel für den Montag waren die Marmorhöhlen im Lago in der Nähe von Puerto Rio Tranquillo – siehe separaten Bericht Capillas de Marmol. Ein spektakuläres Naturschauspiel, vor allem mit dem Kajak! Den Nachmittag verbrachten wir bei herrlichem Wetter mit Stellplatz am Strand des kleinen Touristen-Örtchens Puerto Rio Tranquilo. War wirklich sehr „tranquillo“ dort 😉. Natürlich habe ich es mir nicht nehmen lassen, der Körperpflege nachzukommen und mich in die eiskalten Fluten des von Gletscherwasser gespeisten Lagos zu stürzen. Das ich der einzige Badegast war, brauche ich wohl nicht extra zu erwähnen. Aus den ungläubigen Blicken der anderen Strandgäste war deutlich die Unverständnis für ein freiwilliges Bad im eiskalten Wasser zu erkennen. Die haben ja keine Ahnung! 😂
So blieben wir auch über Nacht an diesem friedlichen Stellplatz mit „Free WiFi“ von der angrenzenden COPEC-Tankstelle.
Am Dienstag ging es für uns gemächlich 100 Kilometer weiter in den Parque Nacional Cerro Castillo. Ein einheimischer Chilene, den wir auf der Fahrt von Puerto Yungay nach Caleta Tortel aufgrund eines kapitalen Motor-Schadens an seinem Wohnmobil mitgenommen hatten, meinte, daß dieser Nationalpark ein echter Insider-Tip sei und er ihn sogar schöner fände, als den grandiosen Torres del Paine Nationalpark. Aha! Diese gewagte These galt es, zu überprüfen!

So machte ich mich am Mittwochmorgen um 8.30 Uhr auf den Weg. Wir fuhren zunächst mit Chop-Chop zum Startpunkt einer Wanderung, die als die steilste im Parque Nacional galt, den Sendero Laguna Cerro Castillo. Natalie winkte bei der Vorstellung von zu überwindenden 1.150 Höhenmetern auf 6,5 Kilometer Strecke dankend ab: „Ich bleibe lieber im Wohnmobil und passe auf, daß nichts passiert“. Valider Einwand! In dieser Einöde ist die Gefahr sicher nicht zu unterschätzen 😁. Spaß beiseite, einfache Wanderungen macht Natalie gerne mit, sie liebt die Natur ja auch. Aber sie kennt auch ihre Grenzen – und dieser Trail war weit jenseits dieser …
Ganze 2:45 Stunden brauchte ich hoch zum grandiosen Mirador mit Blick über einen türkisblauen Gletschersee vor der majestätischen Felswand des Cerro Castillo mit seinem hängenden Gletscher, der wie eine Zunge vom Berg herunter ragt. Genial!



Aufgrund meiner leidigen Knieprobleme sind meine Abstiege grundsätzlich qualvoller als die Aufstiege. Sei‘s drum! Augen zu und durch … so war ich gegen 15.00 Uhr zurück – und zwar im Jeep. Nach der Rangerstation am Trailhead konnte ein junger Chilene aus Santiago mit seinem Jeep mein leidvolles Gehumpel wohl nicht mit ansehen: „Do you need a lift?“ … Aber sowas von 😎 …
Als Entschädigung für die Mühen gab‘s nach meiner Rückkehr einen Belohnungs-Doppelpack: Badespaß und Abkühlung im Gebirgsbach im Dorf Villa Cerro Castillo (wie sollte das Kaff auch sonst heißen). Dort hatten wir am Vortag bereits gebadet, ich, Natalie und Chop-Chop. Naja, Chop-Chop wurde gebadet … Grundreinigung von innen und außen! Anschließend ging‘s in die coolste Burgerbude südlich des Äquators: FoodTruck „La Cocina de Sole“ … der Name ist dort Programm …



Am Donnerstag wurde Strecke gemacht, ist ja relativ, wie erwähnt. Wir schafften es dennoch bis hoch in den Parque Nacional Queulat mit sattgrünen farnbewachsenen Regenwäldern, Wasserfällen, Hängegletschern und … Thermen. Meine müden Beine brauchten nach der Bergtour zweifelsfrei Wärme, die gab es dort in den Thermalbecken reichlich. 30.000 chilenische Pesos (rund 30 Euro) pro Person sind zwar kein Pappenstiel aber meine Mutter meinte, wir sollen uns mal was Feines von ihrem „Ostergeld“ gönnen. Na, wenn Mutter das sagt …
Der Freitagvormittag in der Therme war mega-entspannend. Neben mir waren ganze 6 weitere Gäste anwesend und wärmten sich in den 4 unterschiedlich warmen Thermalbecken. Die Lage war grandios, die Becken im Freien direkt am Fjord mit Blick auf die umliegende Natur. Da waren die tiefhängenden Wolken und der gelegentliche Nieselregen egal, wenn man im warmen Becken sitzend den Fjord und die Wildnis genießen und den Delphinen beim Vorbeischwimmen in unmittelbarer Nähe zuschauen kann.



Seit Donnerstag hatten wir nun zum ersten Mal auf unserer Reise durchgehend bewölkten Himmel und mehrtägig Regen, der bis zum heutigen Samstag anhielt. Wir nutzen solche Phasen für die täglichen Dinge des Vanlifes:
- Strecke zurücklegen und schöne Dinge unternehmen, die auch bei schlechtem Wetter möglich sind (Thermen, Museen, Spazierengehen, lesen, etc.)
- Fahrzeug auf Vordermann bringen … da gibt es immer was zu tun
- Beiträge schreiben, recherchieren und planen
- Wäsche waschen (lassen)
- Körperpflege
- Einkaufen gehen für die Folgewoche
- Basis-Betriebsmittel auffüllen, sofern notwendig: Gas, Wasser, Strom, Kraftstoff
Apropos Basis-Betriebsmittel … wie funktioniert so ein Fahrzeug, in dem man lebt, damit vollumfänglich? Hier eine Auflistung …
- Gas: Kühlschrankbetrieb, kochen, Truma-Sekundärheizung, Warmwasserboiler
- Wasser: Spülungen, Abwasch, kochen
- Strom: Betrieb ALLER elektrischer Geräte (12V und 220V)
- Kraftstoff: Fahrbetrieb, Diesel-Primärheizung
So, ihr Lieben, das war der erste Beitrag im neuen Format „Eine Woche mit uns …“, mit dem wir euch in Zukunft regelmäßig beglücken möchten, so daß ihr einen lebendigeren Eindruck von unserem Vanlife in Südamerika erhaltet.
Also … stay tuned!

Hallo ihr zwei Weltenbummler, da habt ihr ja schon wieder einige Erlebnisse hinter euch und sehr schöne Landschaften und Gewässer, ob kalt oder warm gesehen. Kann mir vorstellen, dass du Jenko, dir wieder zuviel zugemutet hast, Gut das man dort in einem Thermegewässer entspannen konnte. Weiterhin gute🚐😘Ma
Ich und mir zu viel zumuten, wie kommst Du denn darauf? 😉 Du wärst ja nicht meine Mutter, wenn Du mich nicht kennen würdest 😁. Klar, meine Grenzen kenne ich … teste diese aber auch gerne mal … vielleicht lassen sie sich ja erweitern …